Hausu (House) ist ohne Zweifel einer der ungewöhnlichsten Horrorfilme aller Zeiten – Wenn man diese farbenfrohe, quietschvergnügte Collage überhaupt in eine solche Kategorie pferchen kann. Nobuhiko Obayashis Meisterwerk aus dem Jahre 1977 gehört zu den Filmen, die man definitiv nicht vergisst. Wo sonst gibt es schon Klaviere, die Schulmädchen aufessen?
Fangen wir mal ganz objektiv und neutral an. Hausu ist nicht vergleichbar mit allem, was jemals über die Leinwand geflimmert ist. Dieser sträflich unterbewertete Trip vereinigt den surrealen Grössenwahn von Jodorowsky mit der farbenprächtigen Visualisierung von Dario Argentos Suspiria, dazu noch eine Prise Hunter S. Thompson, und fertig ist: Ein unbeschreibliches, postmodernes, märchenhaftes Horrorabenteuer, das sich kein japanophiler Cineast entgehen lassen darf. Hier schon mal der Trailer für einen kurzen Vorgeschmack:
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Hausu – Quietschbunter Camp-Horror-House Kitsch auf Japanisch
Schon die ersten Szenen von Hausu machen klar, das wir es hier nicht mit einem run-off-the-mill Haunted House Horrorfilm zu tun haben. Vielmehr könnte man Obayashis psychedelischen Trip als eine hoch ambitionierte, durch den japanischen Fleischwolf gedrehte Hommage an dieses westliche Genre verstehen. Die überkitschige Popmusik, die herrlich zu den infantil gemalten Backgrounds passt, ist nur ein Versatzstück in diesem kaleidoskopartigen Film, der auch nach dem zwanzigsten Mal ansehen noch Spass macht.
Hausu – Die Story mit dem House
Ok, kommen wir mal zur konkreten Handlung. Die Ferien stehen ins Haus (!) und Oshare und ihre sechs Freundinnen wollen einen Ausflug zu Oshares Tante machen, die allein auf dem Land lebt. Nach einer vergnüglichen Fahrt mit dem Shinkansen kommen die 7 Mädels schliesslich im „House“ an. Dort geschehen etwas eigentümliche Dinge, zum Beispiel verwandeln sich Wassermelonen in fliegende Mädchenköpfe, die den Freundinnen gerne in den Allerwertesten beissen. Eine Todesuhr und ein gefrässiges Klavier sind erst der Anfang, doch Oshares Freundinnen Melody, Kung Fu und Mac leisten erbitterten Widerstand.
Ohne weiter spoilern zu wollen: Es kommt natürlich zu einem Blutbad. Am Ende gleicht der Boden im „House“ dem Schlachtfeld in Brain Dead, und die Mädchen müssen schwimmend vor den Attacken der blutrünstigen Geisterkatze fliehen. Die Stärken von Hausu liegen nicht nur in den genial trashigen Gore-Szenen, sondern buchstäblich in jedem einzelnen Frame. Hier wird gar nicht erst versucht, die Realität mit Special Effects nachzuahmen, wie es in aktuellen Filmen Gang und Gebe ist. Hausu manipuliert und benutzt jede Sekunde, jedes Bild als stilisierendes Element. Auch die völlig klischeeüberladenen Charaktere dienen dazu, das altbewährte Konstrukt des Haunted House Horrors masslos zu überzeichnen, und schliesslich zu dekonstruieren.
Hausu – Eine Kuriosität des japanischen Kinos
Obayashi hat sich mit Hausu wirklich überschweiflich ausgetobt, und sämtliche zur Verfügung stehende Technik zur Verfremdung und Überzeichnung in der Postproduktion zum Einsatz gebracht. Im Universum von Hausu ist eine märchenhafte, amerikanisch beeinflusste Beatles-Pop-Idylle koexistent mit angriffswütigen Lampenschirmen, rachesüchtigen Geistern, und schmalzigem J-Drama. Verbunden werden diese Elemente durch aberwitzige Slapstickeinlagen und Stop-Motion Effekte, die mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet wurden, und einen herrlich satirischen, aber auch unbekümmerten Unterton formulieren. Wie ihr sicher schon gemerkt habt, ja es ist mein absoluter Lieblingsfilm, und ja, kauft ihn euch sofort!
Hausu ist ein unbekannter Meilenstein des japanischen Kinos, der auch für einige Horrorkomödien der 1980er wegweisend war, und man könnte sich vorstellen, das Sam Raimi ein grosser Fan dieses Films ist. Wer nicht gerade an Epilepsie leidet, und überdrehtem Kitsch nicht abgeneigt ist, sollte sich diese Persiflage des Genres, die eine einmalige Hommage an Pop, Kino und Kultur darstellt, auf keinen Fall entgehen lassen.
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